: Es (ra)poldert
In Köln hat sich letzten Sonntag Ungeheuerliches zugetragen: Prinz Poldi, der Retter des deutschen Fußballs, saß auf der Bank. Kein Wunder, dass Trainer Uwe Rapolder da unter Beschuss gerät
AUS KÖLN DANIEL THEWELEIT
Wenigstens für zwei Tage haben sie nun ein wenig Ruhe hineingebracht in das Kölner Fußballchaos um die offenkundig nicht hinreichend erklärte Versetzung Lukas Podolskis auf die Auswechselbank am vergangenen Sonntag. Bis Donnerstag fügten die Kölner Boulevardblätter dem Streit zwischen dem Spieler und seinem Trainer täglich ein neues Kapitel hinzu, bis nach einem Friedensgipfel alle Parteien gelobten, fortan wieder vernünftig zusammenzuarbeiten. „Ich will dem Jungen doch nicht schaden. Im Gegenteil ich mag ihn“, erklärte Uwe Rapolder nach dem Treffen mit Podolski und dessen Berater, und der Spieler verkündete: „Vielleicht hätte er sich deutlicher ausdrücken sollen, vielleicht hätte ich aber auch besser zuhören sollen.“ Keiner hat sein Gesicht verloren im Streit um eine Halbzeit, die der Nationalspieler auf der Bank verbringen musste.
Das drängendste Problem konnte vor dem heutigen Aufsteigerduell in Frankfurt also vorerst ausgeräumt werden, und trotzdem zeugt der Ärger von atmosphärischen Störungen zwischen Rapolder und seinem Kader. Nach außen wirkt der Schwabe hoch kommunikativ und umgänglich; einzelne Spieler fühlen sich hingegen immer wieder falsch verstanden oder unfair behandelt. Rapolder sagte dazu im kicker: „Früher war dieser Vorwurf gerechtfertigt, jetzt ist mein Ton aber nicht zu harsch.“ Einfühlsam ist er aber auch nicht gerade.
Christian Rahn zum Beispiel wurde mehrfach heftig öffentlich in Frage gestellt, erst zweifelte der Trainer an seinen Defensivqualitäten, dann stellte er die Vermutung an, dass es dem Exnationalspieler an Einstellung mangele. Christian Springer wiederum war vor einigen Wochen im Training nach kritischen Worten des Trainers erbost in die Kabine gegangen und hatte gerufen: „Diesen Scheiß höre ich mir nicht länger an.“ Springer wurde für ein Spiel aus dem Kader gestrichen, genau wie Özalan Alpay vergangene Woche. Der Türke war nach einem Foul auf dem Rasen liegen geblieben, woraufhin Rapolder gesagt haben soll: „Don’t fake.“ (Stell dich nicht so an.) Alpay hatte wutschnaubend den Platz verlassen und gerufen: „Shit team!“ Tags darauf entschuldigte er sich, türkischen Zeitungen zu Folge will der Verteidiger aber im Winter wieder nach England wechseln.
Zudem klagen einige Spieler aus der zweiten Reihe darüber, dass sie recht dünn mit Informationen über ihre Rolle in Rapolders Überlegungen ausgestattet werden, und während der Spiele ist Woche für Woche beobachtbar, mit wessen Leistung der Trainer gerade besonders hadert. Wild tobend und mit abfälligen Gesten kritisiert er dann oftmals seine jungen und nach Fehlern ohnehin schon verunsicherten Spieler. Von einem „Kommunikationsproblem“ sprach Andreas Rettig nach dem jüngsten Ärger mit Podolski, und auf die Frage, ob er Rapolder zu mehr Vorsicht im Umgang mit den Spielern rate, antwortete der Manager leicht genervt: „Ich gebe Herrn Rapolder gar keinen Rat. Außer vielleicht, dass er das nächste Spiel gewinnen sollte.“
Doch gerade im Fall Podolski wäre es hilfreich, alle Sensibilität der Welt einzusetzen, um die ungewöhnlichen Fähigkeiten des Stürmers für den Abstiegskampf freizusetzen. Denn in seiner gegenwärtigen Verfassung ist der Star des Teams auf dem Platz wenig hilfreich – und außerhalb eine ständige Gefahr für das Klima im Klub. Mit einer simplen Beschwerde wie am vergangenen Sonntag hat er Rapolder ernsten Schaden zugefügt. Die Unruhe um Podolski hat ohnehin schon enorme Dimensionen: Immer wieder kursieren Wechselgerüchte, der 19-Jährige ist zu einem Werbestar avanciert, wie es ihn in Köln noch nicht gab, die Öffentlichkeit verlangt, dass die Mannschaft sich nach den Stärken ihres größten Helden richtet, während die Fußballnation sich besorgt fragt, ob der Poldi denn bis zur WM wieder richtig in Gang kommt. Rapolder jedoch hat wenig übrig für „Heldenfußball“ und will Podolski seinem taktischen System unterwerfen. Podolski hat in all dem Wirrwarr seine Leichtigkeit verloren.
Unter diesen Umständen hat Poldi in dieser Saison gerade mal zwei gute Spiele gemacht, die lediglich zwei Bundesligatore dokumentieren seine dürftige Form ebenfalls. Schon wagt der Spiegel einen Vergleich zwischen Podolski und Sebastian Deisler. Der Münchner stürzte bekanntlich nach einer Phase der hysterischen Verehrung und Vereinnahmung in ein Jahre andauerndes Loch, aus dem er sich gerade jetzt erst wieder endgültig zu erholen scheint.